Auf den Spuren von Dr. Jean Hissette
Spannende Recherche zu Leben und Werk des Entdeckers der Flussblindheit

von Guido Kluxen

Schon früh in der Augenheilkunde wurde mein Interesse auf die Person des Kollegen Jean Hissette gelenkt. Verursacht wurde dieses Interesse zum einen dadurch, dass Hissette 1930 die ersten Flussblinden Afrikas entdeckt hatte, und nicht nur einige, sondern gleich Tausende, zum anderen durch die sich hieraus ergebenden Fragen: Warum fand er sie so unglaublich spät? Gab es die Flussblinden auf einmal gleich zu Tausenden? Niemand zuvor hatte die Flussblinden gesehen. Was war der Grund, dass sie auf einmal da waren?

Beim Abfassen einer kleinen Abhandlung über die Situation der Tropenophthalmologie in ihren Anfängen im 19. Jahrhundert war mir aufgefallen, dass die Flussblindheit in Afrika erst 1930 mit Jean Hissette auftaucht, 1900 gab es sie definitiv noch nicht. Ich konnte das nur feststellen, aber die Frage, warum das so war, noch nicht beantworten. Deshalb stellte ich sie damals im Text auch nicht [Kluxen 1980]. Erst nachdem ich selbst das Elend der Flussblinden in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts in Zentralafrika kennen gelernt hatte, fand ich eine Antwort: Es könnte zwar durchaus sein, dass einige der alten Tropenärzte die Flussblindheit übersehen haben, der Hauptgrund aber ist ein anderer. In der Zeit vor 1930 war die afrikanische Onchozerkose nur ganz lokalisiert – nachweislich am Uéle – mit okulären Komplikationen vorgekommen. Der Grund dürfte gewesen sein, dass die Schwere der Erkrankung damals noch von Herd zu Herd variierte und/oder dass die einzelnen Individuen einen noch relativ geringen Mikrofilarienbefall aufwiesen. Das hatte mit dem Wegziehen der Stämme vom Fluss, an dem sie immer kränker wurden, zu tun, und damit, dass die Menschen vielfach gar nicht alt genug wurden, um die lange Zeit bis zur Manifestation eines Augenbefalls zu erleben.

Beginn der Recherchearbeit

In der Vorlesung für Augenheilkunde in Düsseldorf kündigte ich mittels eines Flugblatts an, dass ich einen Doktoranden suchte, der die Wurzeln des Dr. Jean Hissette in Belgien ausfindig machen sollte. Doch schon der Medizingeschichtsprofessor Alfons Labisch prophezeite mir, dass da wohl kaum jemand anbeißen würde. So war es dann auch – und das bei solch einem schönen Thema, dachte ich. Ich musste mich selbst an die Recherche machen, wenn ich etwas über Jean Hissette erfahren wollte.

Mittlerweile waren allerdings bereits 18 Jahre vergangen seit mein Interesse geweckt worden war, denn man kommt kaum dazu, solchen scheinbaren Nebensächlichkeiten in seinem Spezialgebiet nachzugehen. Ich schrieb nun an das Museum für Zentralafrika in Tervuren in Belgien und fragte an, ob Dr. Jean Hissette dort bekannt sei. Man verwies mich an renommierte belgische Tropenmediziner, die Professoren und teilweise Emeriti P.G. Janssens und J.P. Vuylsteke, Antwerpen, und M. Kivits und M. Lechat, Löwen. Ich korrespondierte eifrig mit diesen Kollegen, die teilweise schon über Hissette publiziert hatten [Henry, Maertens, Janssens 1992] und bekam von Kivits die Anschrift von Hissettes zweiter Tochter Marguerite Ramboux-Hissette, die verwitwet in ihrem Haus am Forêt Soignes im Süden Brüssels lebte. Mit ihr verabredete ich mich Ende 1998, und als ich dort ankam, waren auch Hissettes dritte Tochter Marie-Thérèse Delbar-Hissette und eine Tochter von Marguerite zugegen. Marguerite zeigte mir die in ihrem Besitz befindlichen alten Photos ihres Vaters aus seiner Zeit im Kongo, und sie besaß auch einige Sonderdrucke aus seinen Publikationen in wissenschaftlichen Zeitschriften. Ich hatte mich so vorbereitet, dass ich dort im Hause Kopien in optimaler Qualität anfertigen konnte. Von Hissettes Kindern lebte noch die älteste Tochter Madeleine Feuillat-Hissette, ebenfalls in Brüssel, die wohl etwas kränkelte und deshalb kaum bereit zu sein schien, mich zu empfangen. Die beiden jüngsten Kinder, die 1929 mit ihren Eltern Jean und Hilda Hissette in den Kongo ausgereist waren (während die drei älteren zunächst in Internaten in Belgien zurück bleiben mussten), waren zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben.

Schwierige Suche nach Filmmaterial

Mit diesen ersten Informationen Ende 1998 ausgerüstet, entstanden ein paar kürzere [Kluxen 1999, Kuxen 2000, Kluxen 2002, Kluxen 2004] und eine umfangreichere Abhandlung [Kluxen 2005] über Jean Hissette. In Lacuisine, einem Stadtteil von Florenville-sur-Semois, fand ich das Familiengrab der Familie Hissette-Wouters-de Vriendt auf dem dortigen Friedhof und auch den ehemaligen Besitz „la Fresnaye“ am Ufer der Semois mit der von Hissettes Mutter errichteten kleinen Kapelle, die an die Ereignisse im Ersten Weltkrieg erinnern soll. Es folgte bald ein weiterer bedeutender Fund.

In der Hauptarbeit von Richard Pearson Strong, die aus den Ergebnissen der Harvard African Expedition von 1934 stammten, fand ich einen winzigen richtungsweisenden Vermerk: „Mr. Mallinckrodt secured excellent photographs and moving pictures of the native inhabitants, the country, and the work of the expedition“ [Strong 1938].

Dieser Hinweis auf „moving pictures“ war der einzige mir bekannte Vermerk über vorhandenes Filmmaterial der Harvard African Expedition von 1934. Nun stellte sich die Frage, wo dieser erwähnte Film war. Strong war der erste Ordinarius für Tropenmedizin der Harvard Universität in Boston und könnte den Film vielleicht in seinem Institut hinterlassen haben. Ich bat meinen Freund und Kollegen Dr. Dr. Ronald D. Gerste, Gaithersburg, Washington D.C., mir zu helfen. Die Anfrage in der medizinischen Bibliothek der Harvard Universität erwies sich im Nachhinein als richtig. Zunächst allerdings bekamen wir dort die Auskunft, in der Bibliothek befänden sich nur Bücher und keine Filme. Auf hartnäckige nochmalige Anfrage durch Ronald machte ein Bibliothekar Einschränkungen und erzählte, dass sich bei den Strong-Werken auch einige „canisters“ mit der Aufschrift „Harvard African Expedition of 1934“ befänden. Das sei wohl Filmmaterial, doch den Inhalt kenne keiner. Daraufhin wurde gegen Vorkasse eine versicherte Sendung zu einer Umkehranstalt nach New York organisiert. Nach der Aufbereitung des Materials kehrten die „canisters“ nach Boston zurück, und ich bekam eine US-spezifische Mini-DV mit digitalisierten Kopien, die ein Kameramann des WDR zu öffnen verstand. Darin erkannte ich sofort Jean Hissette mit der amerikanischen Gruppe. Die Investition hatte sich gelohnt.

Amerikanische Forscher kontrollierten Hissettes Beobachtungen

Aus dem über einstündigen Material des Harvard-Films setzte ich mir einen Videofilm von 14 Minuten mit einem Kommentar in Englisch zusammen und stellte diesen auf der Ophthalmologica belgica 2004 vor. Er traf zwar nicht auf übermäßiges Interesses der belgischen Augenärzte, war der Jury aber trotzdem einen Preis wert.

Professor Janssens, der emeritierte Direktor des Tropeninstitutes Prince Léopold, Antwerpen, versicherte mir bei einem Besuch in dem nahe Antwerpen gelegenen Ort ’s-Gravenwezel, dass meine Vermutung richtig war: Die Harvard African Expedition von 1934 war auf Veranlassung und Kosten der belgischen Kolonialverwaltung ausgerichtet worden. Es war also eine Kontrollkommission, die die Befunde Hissettes über die Blinden überprüfen sollte, weil daran gezweifelt wurde. Hissette hat nie geäußert, dass er kontrolliert wurde. Strong schrieb 1938, er selbst habe die Idee zu dieser Expedition gehabt und beabsichtigte damit offensichtlich, von dem Auftrag abzulenken, weil die Kolonialverwaltung ihn gebeten hatte, darüber Stillschweigen zu bewahren. Die Kosten werden nicht unerheblich gewesen sein und wären vielleicht bei der Bevölkerung als Verschwendung angesehen worden, weil die Amerikaner nach ihrer Rückkehr alles, was Hissette über den Augenbefall bei Onchozerkose veröffentlicht hatte, bestätigen konnten. Hissette selbst war keineswegs verärgert über diese Kommission, sondern fühlte sich geehrt, dass sich renommierte Tropenmediziner für seine Arbeit interessierten. Hätte ihm die Kolonialverwaltung vertraut, hätte man sich die Kontrollkommission in Form der „Harvard African Expedition“ sparen können.

Präsentation über Hissette in dessen Famlienkreis

Eines Tages Ende 2004 bekam ich Post von einer der Töchter von Hissettes jüngster und verstorbenen Tochter Gabrielle (Gaby) Rees-Hissette, Cécile Rees-DeJaegher: Sie plane eine Präsentation über ihren Großvater in ihrem Hause in Blanden bei Löwen für Verwandte und ein paar Freunde. Den Zeitpunkt zum Jahresende sollte ich festlegen. Ich wählte einen Montagabend kurz vor Weihnachten 2004 und rechnete damit, ein paar weitere Verwandte kennen zu lernen, denen ich den Harvard-Film auf meinem Laptop präsentieren konnte. Wenn es ein paar Personen mehr würden, als ich erwartete, ließe sich die Demonstration auch für zwei oder drei Gruppen wiederholen. Zuvor war ich noch in Florenville am Grab von Hissette, am Ufer der Semois bei „La Fresnaye“ und im Rathaus, um dort zwei Exemplare des Buches über die Harvard Expedition (Kluxen 2005) zu hinterlassen. Ich war spät dran und erreichte Blanden kein bisschen zu früh. 60 Leute hatten sich im großen Wohnzimmer der Villa eingefunden, und man erwartete meinen Vortrag. Ich war völlig perplex. Der Hausherr war ein urologischer Chefarzt, der einen jüngeren Kollegen und Ophthalmologen, Jérôme Vryghem, aus seiner Klinik in Brüssel mitgebracht hatte. Glücklicherweise übernahm dieser die Präsentation des Videofilms auf Leinwand. Eine Verwandte sprach kurz über die Hautaffektionen bei der Onchozerkose, und nach meinem Film wurde eine alte kurze Fernsehproduktion über das Leben von Belgiern im Kongo zur Kolonialzeit einschließlich eines Interviews mit Madeleine Feuillat-Hissette, Hissettes ältester Tochter, die im Film ein Portrait ihres Vaters in Händen hielt, gezeigt. Auf dem steinernen Gartentisch in der Kälte wurden Austern geknackt und der Gesellschaft in die Innenräume der Villa gereicht. Marie-Thérèse Delbar-Hissette war gekommen, Madeleine nicht, und Marguerite war leider mittlerweile gestorben. Ich fragte Cécile Rees-DeJaegher, ob man Madeleine Feuillat-Hissette, Hissettes älteste Tochter, nicht besuchen könne. „Schwierig“, meinte Cécile.

Der Familienstamm Hissette – Hizette

Die Bürgermeisterin von Florenville hatte eines der hinterlassenen Exemplare des Buches über die Harvard African Expedition von 1934 dem in Florenville ansässigen Edouard Hizette übergeben, der sich später als wahrlich verlässlichen Freund erwies. Er kam – ebenso wie auch Jean Hissette – aus dem bekannten Familienstamm Hissette-Hizette aus Virton, wobei aber der offensichtlich weit ins Mittelalter reichende Verwandtschaftszusammenhang unaufgeklärt blieb. Den Stammbaum von Jean Hissette kannte Edouard von dessen Großvater an, nicht erst nachdem er von meinen Recherchen Kenntnis hatte (Abbildung 1). Edouard besaß eine Kopie eines Artikels von Jean Hissettes Bruder Louis-Ferdinand Hissette [1968] über den Familienstamm der Eisengießer, Schlosser und Mechaniker der Abtei d’Orval, nicht weit von Florenville. Als die Schmiede während der französischen Revolution zerstört wurde, verließen zwei Brüder Hisette die Abtei, die dort ihren Beruf erlernt hatten, der eine ging nach Metz, der andere nach Gent.

Abbildung 1a: Stammbaum Jean Hissette, Großvater und Vater Louis Hissette

Abbildung 1b: Stammbaum Jean Hissette, Geschwister

Ausstellung über Hissette in Florenville

Mit Edouard Hizette zusammen organisierte ich im Oktober 2005 für eine Veranstaltung des “Cercle archéologique et historique de la région de Florenville” eine kleine Ausstellung über den Sohn der Stadt, den Hausarzt und Geburtshelfer Dr. Jean Hissette von Florenville. Hissette war dort von 1919 bis 1929 tätig gewesen, bevor er in den Kongo ging. Die Ausstellung begann mit einem von den Bürgern Florenvilles gut besuchten Vortrag und dauerte eine Woche. Jede Schulklasse der Allgemeinschule „école secondaire Sainte-Anne“ bekam eine Präsentation von Edouard Hizette geboten, der früher Lehrer für Niederländisch und Englisch an dieser Schule gewesen war (Abbildung 2). Das belgische Fernsehen des Senders TV Lux produzierte dazu eine kleine Reportage für ein lokales Nachrichtenprogramm. Diese kleine Sequenz durfte ich freundlicherweise mit Genehmigung von TV Lux in meinen neuen DVD-Videofilm „Dr. Jean Hissette’s research expeditions to elucidate river blindness“ (2011) mit einbauen.

Abbildung 2: Edouard Hizette während der Ausstellung über Dr. Jean Hissette in Florenville 2005, Einzelbild aus einer Fernsehreportage TV Lux

Am Abend meines Vortrages mit Präsentation des Films über die „Harvard African Expedition“ waren viele Leute anwesend, die Jean Hissette noch als Stadtarzt kannten, wenn sie damals auch noch Kinder waren. „Der hat mich mal behandelt, da war ich noch klein“ oder „Der hat mich geholt, bei meiner Geburt“ oder „Mit seinen Kindern haben wir gespielt“, gab es an Kommentaren. Auch die Papierkopie eines alten Bildes des Hauses mit seiner Praxis in der Rue d’Orval Nr. 7 (Abbildung 3) hatte jemand mitgebracht.

Abbildung 3: Hauptplatz in Florenville. Das am weitesten entfernte Haus ist jenes,
in welchem Jean Hissette 1919 bis 1929 praktizierte, Rue d’Orval Nr. 7.

Weiteres Material bei Tochter und Enkelin

Im Jahr darauf kam eine Mail von Cécile Rees-DeJaegher, dass es möglich sei, mit ihrer Tante Madeleine Feuillat, Hissettes ältester Tochter, nun endlich eine Verabredung zu treffen. Sie sei bereit, mich zu empfangen.

Wir fuhren von Blanden aus durchs nächtliche Brüssel zu Madeleine (Abbildung 4). Sie hatte ein paar Kartons mit Bildern und Briefen ihres Vaters auf dem Tisch vorbereitet und sah sie mit uns durch. Mit ihrer Erlaubnis fertigte ich wieder Kopien an. Es war reichlich Material, bei dem ich mich auf das Wesentliche beschränken musste. Madeleine erzählte, dass im Keller noch weitere Dokumente seien, aber es wäre zu beschwerlich, diese nach oben in die Etagenwohnung zu holen. Diese Dinge sollten also zunächst nicht zugänglich sein, und ich befürchtete, dass sie damit für die Nachwelt fast verloren wären. Zwei Jahre später musste Madeleine ihre Wohnung in Brüssel aufgeben und zog in ein Heim in die Nähe ihrer Tochter Anne in Lillois.

Abbildung 4: Madeleine Feuillat-Hissette (hinten) mit Unterlagen ihres Vaters
Jean Hissette auf dem Tisch und Gabriele Kluxen, Brüssel 2006

Von Cécile bekam ich die e-Mail-Adresse von Anne Dossin-Feuillat und auf diesem Wege verabredete ich ein Treffen bei ihr zu Hause in Lillois einschließlich eines Besuches bei ihrer Mutter Madeleine in Braine L’Alleud, beides südlich von Brüssel gelegen. Dazu hatte ich mein Laptop so vorbereitet, dass ich über einen Scanner in knapper Zeit hätte kopieren können, was an Material aus der ehemaligen Wohnung von Madeleine noch zusätzlich aufgetaucht wäre. Als ich in Lillois im Juli 2008 ins Haus kam, lagen auf einem großen Tisch Bücher, Kartons, Alben, eine Holzkiste mit Celluloid-Einzelbild-Filmen, Unterlagen von Jean Hissette, faktisch eine ganze Tropenkiste voll, und auch eine VHS-Kassette. Auf letzterer befand sich eine analoge Kopie des beim belgischen Fernsehen als verschollen gegoltenen Originalfilms handgekurbelter Aufnahmen von Jean Hissette, von etwa 1935 an. Das originale Celluloid-Filmmaterial war tatsächlich verloren gegangen, nicht aber diese Kopie, die das Fernsehen auf Anfrage der Familie geschickt hatte.

Anne Feuillat und ihr Mann kannten mich drei Minuten und gaben mir zu verstehen, ich solle alles mitnehmen, was auf dem Tisch liegt, mit Ausnahme von Jean Hissettes Militärpass, Erkennungsmarke und seines Kriegstagebuches aus dem Ersten Weltkrieg, in dem man mich aber noch blättern ließ. Hissette hatte demnach noch ein Techtelmechtel mit einem Fräulein Gaskoye (Abbildung 5). Alles mitgenommene Material bildet jetzt die wichtigste Grundlage für das Hissette-Archiv c/o G. Kluxen.

Abbildung 5: Jean Hissette etwa 1916 als Soldat. Aus einem persönlichem Album, das sich bei Marie-Thérèse Delbar-Hissette befindet

Die zusammengetragenen Daten zu Personen in der Fundgeschichte sind folgende:
Hissette, Jean (1888-1965)
Vriendt, Hilda de (1885-1973), Ehefrau
Hissette, Louis-Ferdinand (1885-1972), Bruder
Madeleine, Tochter (*1920)
Marguerite, Tochter (1922-2002)
Marie Thérèse (*1923), genannt Mimi, Tochter
Gabrielle (1925-1983), genannt Gaby, Tochter
George (1926-1988), Sohn (kinderlos)

Hissette-Archiv c/o G. Kluxen

Das Hissette-Archiv umfasst Aufzeichnungen, Briefe, Ikonographien, Photos (Glasplatten und Celluloid), Filme, Sonderdrucke seiner Publikationen, Karten und eigene Fachbücher während seiner über 20 Jahre währenden Tätigkeit im Kongo. Das originale Material ist in einer Blechkiste verstaut, alle Dokumente sind auch elektronisch vorhanden. Das Archiv dient als Quelle von tropenophthalmologisch-historischen Ausarbeitungen über die Flussblindheit und Hissettes Tätigkeit im Kongo, wovon vieles noch unbearbeitet ist. Anhand seiner Photos und auch aus dem Filmmaterial lässt sich beispielsweise rekonstruieren (Kapitel X im unten erwähnten neuen Buch), wie Dr. Jean Hissette zu welcher Zeit im Kongo ophthalmologisch ausgerüstet war, wobei keines der Geräte heute mehr vorhanden zu sein scheint.

Neues Buch über Hissette

In dem neuen Buch Dr. Jean Hissette’s Research Expeditions to Elucidate River Blindness (Kaden, Heidelberg 2011) erscheint der Text über die Entdeckung der Flussblinden aus der Veröffentlichung in einer Missionszeitschrift der belgischen Scheutisten [Hissette 1932/33] erstmals auf Englisch (Kapitel I). Aus Hissettes persönlichen Aufzeichnungen, die teils maschinen-, überwiegend aber handgeschrieben sind, ergaben sich ganz neue Kapitel, wie beispielsweise: Reise nach Tunesien und durch Ägypten und Sudan nach Belgisch Kongo (Kapitel III), Reise von Elisabethville in die Provinz Lusambo (Kapitel VIII), Anthropophagie in der Kabinda Region (Kapitel IX). Neu ist auch die Darstellung der Onchozerkose anhand von Originalmaterial (Histologien, Photos und Ikonographien) des Dr. Jean Hissette und die Herausstellung seiner eigenen wissenschaftlichen Entdeckungen dabei (er fand das Erisipela de la costa als erster auch in Afrika, er beschrieb vor Ridley den chorioretinitischen Narbenfundus, und entdeckte, dass die Uveitiden erst mit dem Absterben der Mikrofilarien auftreten) (Kapitel VII). Zum Buch gehört eine gleichnamige DVD, wobei es sich um eine neue Darstellung anhand von Jean Hissettes persönlichen Filmaufnahmen (ab 1935) und von Material der Harvard African Expedition von 1934, inklusive einer kurzer Reportage von TV Lux in Florenville 2005 handelt.

Hissettes Kameras

Hissette besaß zwei kleine Filmkameras mit Handkurbel, eine relativ schwere von Zeiss Jena mit axialem Durchblick zur Aufnahmekontrolle, die andere eine ultraleichte Agfa-Box mit Handkurbel und Bildkontrolle durch eine Lupe oben im Blick darauf. Das Filmmaterial und auch die Glasplattennegative stammten ebenfalls aus Deutschland von Gaevert. Am 19. Juli 2008 hatte ich beide Kameras in der Hand. Auch die Fotokameras von Hissette sind noch vorhanden, von der Kamera für große Glasplattennegative in Ziehharmonika-Form bis zu moderneren aus den 1940er-Jahren. Sie befinden sich in Lillois bei Waterloo, Belgique.

Ebenholz-Bar

Bei Verlassen der Kolonie 1952 haben die Hissettes, so wie viele Weiße vor und nach ihnen, eine gewichtige Hausbar von 3 Metern Länge und einem halben Meter Breite sowie große Hocker aus dunklem schweren Ebenholz nach Belgien mitgenommen oder für deren Transport gesorgt. Es handelt sich um ein geschwungenes Unikum mit eingeschnitzten traditionellen Figuren von Kriegern und Frauen mit vornehmen Frisuren und Tiermotiven. Die Schnitztechnik entstammt der Kunst, einen Häuptlingsthron oder Palast auszuschmücken und wurde hier auf ein Möbel für den europäischen Bedarf übertragen. Diese Ebenholz-Bar stand lange unter den Holzdekorationen der Räumlichkeiten in „La Fresnaye“ in Lacuisine und war dort ein ins Bild passendes Möbelstück, jetzt befindet sie sich in Lillois bei Waterloo, Belgien.

Reise auf Hissettes Spuren derzeit nicht möglich

Soweit waren die Recherchen gut gelaufen, mit etwas taktischem Geschick – es wurden sogar Freundschaften geschlossen – und viel Geduld hatte ich in gut 10 Jahren so umfangreiches Material gesammelt, dass sich damit über die Person Jean Hissette authentische Aussagen machen ließen. Dabei muss ich heute zugeben, dass diese Recherche für die Erstellung einer medizinhistorischen Dissertation zu lange gedauert hätte. Wahrscheinlich war es auch besser, immer wieder, wenn sich die Chance bot, selbst am Thema dranzubleiben.

Was noch bleiben wird, ist eine Reise von Thielen St. Jacques nach Luputa und Kabinda, dann über die Wissmannberge weiter nach Pania Mutombo und nach Lusambo sowie in die Umgebungen dieser beiden letztgenannten Orte zu unternehmen, um nachzuvollziehen, wo Hissette die Flussblinden fand und die Harvard African Expedition von 1934 operierte. Doch das Gebiet ist seit über 20 Jahren von rivalisierenden Milizen heiß umkämpft, und es wäre unvernünftig, ein solches Erlebnis vor der Befriedung der Region genießen zu wollen.